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Produktion in Bewegung: Wie sich Europas Autoindustrie neu ordnet

30.05.2025 10:17 Uhr | Lesezeit: 3 min
Volvo Produktion
Volvo baut den EX30 nun auch in Belgien. Die Schweden sparen sich mit der Verlagerung Emissionen und Logistikkosten.
© Foto: Volvo

Von China nach Belgien: Warum Autohersteller wie Volvo ihre Produktion nach Europa verlagern.

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Die europäische Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Während Elektromobilität, Digitalisierung und geopolitische Unsicherheiten den Markt umkrempeln, passen Hersteller ihre Produktionsstrategien an. Zu sehen ist dieser Trend auch in der Entscheidung des schwedischen Autobauers Volvo, sein kompaktes Elektromodell EX30 künftig nicht mehr nun in China, sondern zusätzlich im belgischen Gent zu produzieren.

"Der Großteil der Fahrzeuge, die wir in Europa verkaufen, kommt nun auch aus Europa. Beim EX30 werden es 100 Prozent sein", sagt Herrik van der Gaag, Geschäftsführer von Volvo Deutschland. Damit reiht sich Volvo in eine wachsende Gruppe von Herstellern ein, die europäische Standorte stärken – teils auf Kosten bestehender Werke außerhalb der EU.

Chinesische Marken prüfen eigene Fertigungen

Zahlreiche Hersteller investieren derzeit in neue europäische Produktionsstätten. Tesla will seine "Gigafactory" in Grünheide zumindest mittelfristig weiter ausbauen, während BMW gerade in Ungarn ein neues Werk anlaufen lässt, in dem noch dieses Jahr vollelektrische Fahrzeuge vom Band rollen sollen.

Auch chinesische Marken wie BYD und Nio prüfen eigene Fertigungen in Europa, um drohenden EU-Zöllen auf importierte E-Autos zu entgehen. Gleichzeitig kommt es zu Verlagerungen innerhalb Europas oder zur Stilllegung alter Werke. Ford hat etwa angekündigt, sein Werk im saarländischen Saarlouis bis 2025 zu schließen. Die Produktion des Kompaktmodells Focus läuft dort aus.

Die Gründe für Produktionsverlagerungen sind vielfältig. Im Zentrum stehen meist die Kosten – vor allem für die Löhne. "Arbeitskosten machen rund 10 Prozent der Kosten beim Autobauer insgesamt aus. Wenn wir nur auf die Produktion schauen, sind sie eher bei 20 Prozent", so Ferdinand Dudenhöffer vom CAR Institute in Bochum.

Nur auf die Lohnbescheinigungen schauen Autobauer aber bei ihren Entscheidungen auch nicht – ansonsten hätte Länder wie Belgien oder Deutschland als Automobilstandort wohl kaum eine Chance. "Die Rechnung der Unternehmen wird von einer ganzen Reihe von Variablen bestimmt", so Dudenhöffer. Dazu zählten Energiekosten, Baukosten, Unternehmens-Steuern und Regulierungskosten, aber auch eine saubere Infrastruktur mit 5G-Internet ohne Funklöcher.

Politische Rahmenbedingungen spielen eine Rolle

Die Kosten-Nutzen-Rechnung hat auch Volvo vorgenommen – und sie laut van der Gaag besonders weit gefasst. "Die Entscheidung für die lokale Produktion hat vor allem etwas mit unserem Fokus auf Nachhaltigkeit zu tun", betont der Manager. Kürzere Lieferwege bedeuten geringere Emissionen – ein zentraler Aspekt in der Klimabilanz moderner Fahrzeughersteller.

Doch auch politische Rahmenbedingungen spielen zunehmend eine Rolle, beispielsweise die 2024 eingeführten Sonderzölle auf E-Autos aus chinesischer Produktion. Für Volvo waren diese aber nicht ausschlaggebend. "Die Zölle sind erst nach unserer Entscheidung verhängt worden. Aus heutiger Perspektive ist die Zollvermeidung aber ein positiver Nebeneffekt der Verlagerung von China nach Belgien", so van der Gaag.

Auch logistische Vorteile spielen bei Volvo in die Entscheidung hinein. "Bis die Autos aus China an ihrem Ziel in Europa sind, dauert es aktuell acht bis zehn Wochen – reine Logistikzeit. Mit dem Lkw sind sie in maximal einer Woche vor Ort", erläutert van der Gaag. Die Produktion im Werk Gent ermögliche zudem kürzere Lieferzeiten und eine bessere Reaktionsfähigkeit auf Marktschwankungen.

Die Umstellung eines Werks sei allerdings kein Selbstläufer. "Das ist ein Riesen-Aufwand – besonders in diesem Fall, wo wir gleichzeitig eine neue Modellplattform nutzen", so van der Gaag. Dennoch verspricht sich Volvo langfristige Vorteile: "Nicht nur die prinzipiell kürzere Transportzeit ist ein Vorteil für uns. Wir umgehen auch die vielen Unwägbarkeiten auf dem Seeweg – von Piraterie bis zur Störung von Handelsrouten durch internationale Konflikte." Kunden sollten allerdings nicht auf Preisvorteile hoffen. "Was wir an Logistikkosten sparen, geben wir in Form von höheren Arbeitskosten wieder aus", sagt van der Gaag.

Einwanderung chinesischer Autohersteller

Die Entscheidung von Volvo ist Teil eines umfassenderen Trends: Die Rückverlagerung von Produktionskapazitäten in die Nähe der Absatzmärkte – ein Prinzip, das an Bedeutung gewinnt. Neben Nachhaltigkeitszielen und politischen Risiken trägt auch der technologische Wandel dazu bei, dass Hersteller ihre Werke modernisieren oder gleich ganz neu errichten. 

Ähnliche Effekte könnte ein weiterer Trend haben: die Einwanderung chinesischer Autohersteller. Aktuell ist das Interesse der Unternehmen an europäischen Werken und Standorten vor allem durch die Zölle getrieben. Aber auch langfristig könnte die Strategie sinnvoll sein. Allerdings nicht für alle China-Marken, sagt Dudenhöffer. "Eine professionelle Fahrzeugproduktion macht nur Sinn, wenn sie 300.000 Fahrzeuge in einem Werk pro Jahr bauen."

Nur wenige chinesische Hersteller dürften seiner Berechnung zufolge ein derartiges Volumen erreichen. Für 2030 prognostiziert er 900.000 Verkäufe in Europa – allerdings verteilt auf zehn Marken. "Eine lokale Produktion von MG Rowe, BYD, Chery kann ich mir vorstellen, aber mehr eigentlich nicht. Vielleicht durch die Übernahme bestehender Werke wie bei Ford oder mit Joint Ventures. Aber mehr als 3 Werke würde ich nicht sehen bis 2030."

Die europäische Automobil-Landkarte wird sich in den kommenden Jahren verändern. Wie genau, hängt auch von der Stabilität globaler Lieferketten und den energiepolitischen Rahmenbedingungen in Europa ab. Sicher ist jedoch: Was auch immer passiert, wird vor allem in Deutschland weitreichende Folgen für Industrie, Beschäftigte und Kunden haben. 

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