Wer die Autowelt verstehen will, muss auf die Straße gehen. Beim Fuhrpark spielt jedes Land nach eigenen Regeln. Für Korea sind diese recht einfach: Hauptsache Schwarz oder Silber, möglichst groß und möglichst teuer – und ein bisschen Bling-Bling schadet auch nichts. Man könnte glatt meinen, die Straßen von Seoul sind das Spiegelbild einer superreichen Gesellschaft. Bis zum vergangenen Jahr war die Oberklassenlimousine Hyundai Grandeur das meistverkaufte Auto in der elftgrößten Volkswirtschaft der Welt. Aktuell wurde das 4,90 Meter-Statement vom Kia Sorento und dem Kia Carnival abgelöst, auch beides stattliche Fahrzeuge jenseits der 4,80 Meter.
Kein anderes Volk gibt mehr Geld für Luxus aus als die Südkoreaner. Und das gerne auch für Statussymbole wie Autos. Obwohl der Brutto-Jahresverdienst der Asiaten mit durchschnittlich rund 28.500 Euro deutlich unter dem der Deutschen liegt (etwa 52.000 Euro), leisten sich die Koreaner ein Leben auf der Überholspur. Gerne fremdfinanziert. Auf den Straßen der Hauptstadt sieht man kaum mal einen Kleinwagen. Auch E-Autos tun sich schwer. Trotz staatlicher Unterstützung. So dominieren große Verbrenner, zumeist von Hyundai oder Kia, also aus einem Haus. Gemeinsam haben sie einen Marktanteil von über 90 Prozent. Dazu kommen Hyundais Edelkarren von Genesis, die bereits die drittstärkste Marke in Korea ist.
Hyundai Palisade

Hyundai Palisade: Riesiger Grill, horizontale Tagfahrlichter
Und die wilde Luxusreise geht weiter. Mit dem gerade eingeführten Palisade folgt Hyundai dem Kundenwunsch nach noch mehr Status im SUV-Format. Auch der Super-Size-Trumm überspringt in zweiter Generation die Fünf-Meter-Marke und übernimmt die Rolle des Flaggschiffs bei Hyundai. Optisch möchte der Palisade offensichtlich als Range Rover Koreas reüssieren.
Mit riesigem Grill und horizontalen Tagfahrlichtern macht bereits die Front mächtig Eindruck. Die seitliche Linie mit leicht nach hinten abfallendem Dach und gebürsteten Chromeinsatz an der C-Säule zitiert einige Stilelemente, die wir vom britischen Original bestens kennen. Auch das bullige Heck hat mit dem Begriff Understatement nur wenig gemeinsame Nenner.
Vorgestellt wurde der Palisade erst im April auf der New York Motorshow, ist hier in Seoul aber bereits im Straßenbild sichtbar. Plattform und viele Komponenten teilt er sich mit dem kürzeren Santa Fe und dem Schwestermodell Kia Telluride. Die Positionierung geht ganz klar Richtung großer Luxus, weswegen der raumgreifende Dampfer vorerst nicht im engen Europa ankern wird. In den Weiten der USA, Kanadas und Australiens sieht Hyundai weitaus bessere Chancen.
Fünf bis neun Sitzplätze für den Hyundai Palisade
Es gibt den Palisade mit Heck- oder Allradantrieb, je nach Markt und Konfiguration ist er mit fünf bis neun Sitzplätzen bestellbar. Dann wächst aus der vorderen Mittelkonsole ein Babysitz. In der von uns gefahrenen Top-Version Calligraphy ist die Schmuckschatulle reichlich gefüllt. Der Innenraum großzügig mit Leder ausgeschlagen, die Sitze in Reihe eins und zwei elektrisch verstellbar, beheizt, belüftet und mit Massagefunktionen versehen.
Selbst Reihe drei faltet sich auf Knopfdruck elektrisch zusammen und macht den Weg frei zu einem Laderaum, der für die große Reise konzipiert ist. Cockpit und Bedienung mit einem eher kompakten Doppeldisplay und vielen direkt anwählbaren Schaltern zielen auf das reifere Publikum, das aus dem Spielealter heraus ist. Aus dem gut gefüllten Digital-Baukasten hat Hyundai eine ganze Armada an Assistenzsystemen in Dienst gestellt, damit Insassen und Fahrzeug nichts passiert.
Hyundai Palisade bietet vorbildlichen Antrieb
Wer den Palisade standesgemäß bewegen möchte, greift zum neuen 3,5 Liter-V6 mit 211 kW/287 PS, der allerdings für Testfahrten noch nicht zur Verfügung stand. Ohne sichtbaren Prestigeverlust geht alternativ der erste Hybrid-Antrieb im Palisade an den Start. Dann bemüht sich ein 2,5 Liter-Vierzylinder-Turbo mit 193 kW/262 PS um sittliche Spritwerte, unterstützt von zwei in die Sechsgang-Automatik integrierte E-Motoren. Die Systemleistung liegt bei 242 kW/329 PS, die auf einen möglichst hohen elektrischen Fahranteil ausgelegt sind.
Mit gleichmäßigem Tempo unterwegs, benimmt sich der gemischte Antrieb meistens vorbildlich, die Leistung ist völlig ausreichend, Übergänge vom Verbrenner zum unterstützendem E-Antrieb erfolgen leise und kaum spürbar. Wer mehr will, kriegt was auf die Ohren. Bei spontaner Leistungsabforderung passen weder Lautstärke noch Laufkultur zu einem Auto dieses elitären Formats.
Das gilt auch für die hohen Erwartungen an den Fahrkomfort, die ein Palisade nun mal aussendet. Damit der Preis möglichst heiß bleibt, verzichtet Hyundai auf adaptive Dämpfer oder ein Luftfahrwerk. So bemüht sich das Stahlfederfahrwerk um ein Federungsniveau, für das andere in dieser Klasse von Haus aus ganz andere Werkszeuge zur Verfügung stehen. Auf ebener Strecke ist noch alles okay.
Aber damit der große Wagen nicht um die Kurven taumelt, mussten Federn und Dämpfer offensichtlich straffer ausgelegt werden. Querfugen und Schlaglöcher werden entsprechend mit einem Poltern begrüßt, das in so einer noblen Hütte nichts zu suchen hat. Es sei denn, der Schein ist einem ohnehin wichtiger und der Preis eben nicht ganz egal. In Korea gibt es den Luxus-SUV zum Golf-Kurs. Bei umgerechnet rund 28.000 Euro geht es los. Daran gemessen, beherrscht der Palisade die große Show wie kaum ein Zweiter.