In einer Studie des Gesamtverband der Versicherer GDV aus dem Jahr 2024 ergaben sich bis zu 25 Prozent höhere Kosten pro Schaden an Elektrofahrzeugen gegenüber vergleichbaren Verbrennern. Zwar zeigte sich, dass in der Vollkasko für Elektrofahrzeuge bis zu 20 Prozent weniger Schäden gemeldet werden, die Kosten liegen aber pro Schaden rund ein Viertel höher. "Werkstätten, Abschleppunternehmen, Feuerwehren und Gutachter brauchen mehr Unterstützung beim Umgang mit schwer beschädigten Elektroautos", so Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. Der Verband fordert die Hersteller auf, Batterien schon beim Design der Fahrzeuge so gut wie möglich vor Schäden durch Unfälle zu schützen und nach einem Unfall aussagekräftige Diagnosedaten zum Zustand der Batterie zur Verfügung zu stellen.
Die aktuelle Unsicherheit führe zu hohen Kosten: "Nach Unfällen werden die Antriebsbatterien häufig komplett ausgetauscht. Zudem werden die Autos sehr lange in Quarantäne gelagert oder sogar in Löschcontainern im Wasser versenkt, was zum Totalschaden führt", sagt Asmussen. "Was wir stattdessen brauchen, sind präzise Kriterien für den Umgang mit verunfallten Elektroautos und wirtschaftlich nachhaltige Anleitungen für die Reparatur oder den teilweisen Austausch beschädigter Batterien." Andernfalls fürchten die Versicherer negative Folgen für die Mobilitätswende: "Wenn die Reparaturkosten nicht sinken, gefährden sie langfristig die Akzeptanz der Elektroautos", so Asmussen.
Kostentreiber Stundensatz
Als weiteren Kostentreiber sieht der GDV neben den stark verteuerten Ersatzteilpreisen auch die gestiegenen Stundenverrechnungssätze. Der Verband hat deren Entwicklung von 2017 bis 2023 beobachtet und festgestellt: "Arbeiten an der Mechanik, Elektrik oder der Karosserie kosteten 2023 im Schnitt 188 Euro pro Stunde, Lackierarbeiten sogar 205 Euro. Beide Preise stiegen im Vergleich zum Vorjahr (2022) um 8,6 Prozent", so Jörg Asmussen.
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Im Vergleich zum Verbraucherpreisindex, der von 2017 bis 2023 um rund 20 Prozent gestiegen ist, haben laut GDV die Werkstätten und Lackierereien ihre Stundensätze im gleichen Zeitraum um rund 40 Prozent erhöht. Daraus, zusammen mit den höheren Ersatzteilpreisen, ergaben sich 2023 durchschnittliche Kosten für einen Pkw-Sachschaden in der Haftpflichtversicherung von rund 4.000 Euro, 2017 lagen diese noch bei 2.700 Euro. Die Folgen bekommen Versicherer und Autofahrer gleichermaßen zu spüren. Die Versicherer fuhren 2023 einen Verlust von über drei Milliarden Euro ein, in der Folge stiegen die Prämien für die Kunden spürbar an.
Nicht gerechtfertigt
Carsten Rinkemeyer, Leiter Fahrzeugtechnik und Sicherheitsforschung im Allianz Zentrum für Technik (AZT Automotive GmbH), sieht die Entwicklung ähnlich kritisch: "Die Effekte durch die reduzierte Zahl schwerer Unfälle dank zunehmender Assistenzsysteme wird durch die gestiegenen Schadenkosten nahezu kompensiert, sodass die Kosten für den Versicherungsnehmer nicht so positiv durch Assistenzsysteme beeinflusst werden, wie wir uns das eigentlich erhofft haben. Stundenverrechnungssätze sind ein Baustein in diesem ganzen Thema." Er schränkt aber ein, dass nicht alle Werkstätten generell die Stundensätze für E-Autos erhöht haben. "Aber wir wissen, dass es eine Reihe von Werkstätten gibt, die individuell für sich beschlossen haben, die Stundenverrechnungssätze für E-Fahrzeuge zum Beispiel pauschal um 50 Prozent höher anzusetzen. Wofür wissen wir allerdings nicht", so Rinkemeyer.
Für ebenfalls nicht gerechtfertigt hält Rinkemeyer die erhöhten Stundensätze für Lackierarbeiten an E-Fahrzeugen: "Die haben mit der Hochvoltanlage nichts zu tun, werden aber von diesen Werkstätten so behandelt." In den Augen von Rinkemeyer sind das Geschäftsmodelle, die auch mit der Unsicherheit der Kunden spielen: "Ich denke, dass diese Unsicherheit auch genutzt wird, wenn Stundenverrechnungssätze in dieser Form angehoben werden.
Rechtlich ist es aber die unternehmerische Freiheit einer Werkstatt, die Preise festzulegen." Das häufig aufgeführte Argument der notwendigen zusätzlichen Qualifikationen sieht er kritisch: "Die 1S-Qualifikation ist bereits seit 2013 Bestandteil der Mechatroniker-Ausbildung. Die 2S-Kraft braucht je nach Vorbildung zwei bis drei Tage Ausbildung, für die Qualifikation zur 3S-Kraft sind zwei Tage Zusatzausbildung erforderlich. Am Ende des Tages ist das alles kein Hexenwerk. Insofern ja, Elektromobilität verlangt vielleicht bestimmte Werkzeuge, verlangt etwas zusätzliche Qualifikation, aber nicht in dem Ausmaß, wie es teilweise in der Praxis dann verrechnet wird."
Ursachengerecht und transparent
Vonseiten des ZDK heißt es zur Berechnung der Stundenverrechnungssätze in Bezug auf E-Fahrzeuge: "Grundsätzlich steht es den Werkstätten frei, wie sie ihre Stundenverrechnungssätze (SVS) kalkulieren, da der Investitionsbedarf für Wartung und Reparatur von E-Fahrzeugen je nach Betrieb stark variiert." Für die Integration dieser Investitionen in die SVS listet der ZDK verschiedene Ansätze auf. Die einfachste Möglichkeit ist, die bestehenden SVS um eine Pauschale für Arbeiten an E-Fahrzeugen zu ergänzen. Ein weiterer Ansatz ist, für Verbrenner und E-Fahrzeuge separate SVS zu kalkulieren. Dabei werden die Mehrkosten für Arbeiten an Hochvoltsystemen auf die jeweiligen SVS für Mechanik, Elektrik, Karosserie und Lack für E-Fahrzeuge umgelegt.
Eine dritte Möglichkeit sind einheitliche SVS für alle Antriebsarten, wo die kalkulierten SVS sämtliche Kostenarten pauschal berücksichtigen. Eine ursachengerechte und transparente Abrechnung hinsichtlich der Antriebstechnologie und insbesondere der durchgeführten Arbeiten ermöglicht aber nur die vierte Variante. Hier wird neben den bestehenden SVS ein gesonderter Stundensatz ausschließlich für qualifizierte Arbeiten an Hochvoltsystemen erhoben, unabhängig davon, ob es sich um teil- oder vollelektrifizierte Fahrzeuge handelt.
Kostenvorteil Freie Werkstatt
Im Vergleich der Stundenverrechnungssätze für Arbeiten an Hochvoltsystemen zeigen sich laut ZDK ähnliche Unterschiede wie bei klassischen Tätigkeiten in Mechanik, Elektrik oder K+L. Vertragsgebundene Werkstätten weisen in der Regel höhere SVS auf als freie Werkstätten. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass markengebundene Betriebe die qualitativen Vorgaben ihrer Hersteller erfüllen müssen - etwa im Hinblick auf Personalqualifikation, Werkstattausrüstung (zum Beispiel HV-Arbeitstisch, Balancer, Quarantäneplatz), Schulungen und Ersatzteilbevorratung. Freie Werkstätten sind in diesen Bereichen deutlich flexibler in ihren Entscheidungen und Investitionen. Unternehmensberater Michael Zülch (Zülch Consulting) hat sich auf die Beratung von freien Werkstätten spezialisiert und sieht die Steigerung der SVS generell positiv. "Lagen die realisierten SVS der freien Karosserie- und Lackbetriebe 2022 noch bei 89 Euro, so sind es heute 107 Euro im Durchschnitt", so Zülch.
Vor allem durch die hohe Nachfrage durch Schadensteuerer und das Erreichen der Kapazitätsgrenzen in vielen Betrieben konnten diese laut Zülch gute Steigerungen durchsetzen. Ähnlich verhält es sich im Bereich Mechanik, "hier konnten die Betriebe den SVS in den letzten Jahren von 77 Euro auf 91 Euro (jeweils netto) steigern. Das sind schon Anhebungen, die aus meiner Sicht sinnvoll sind und auch notwendig waren", sagt Zülch. Auch plädiert er für differenzierte SVS für unterschiedliche Arbeiten. "Das läuft bei K+L und mechanischen Arbeiten auch. Und warum sollte man nicht auch für die E-Fahrzeuge dann einen etwas anderen Satz nehmen? Es muss natürlich passen, ich darf es nicht übertreiben", so der Unternehmensberater. Im Vergleich zu den Markenwerkstätten, wo teilweise SVS von über 300 Euro aufgerufen werden, haben die freien Werkstätten die Chance, mehr Kunden zu gewinnen.